Südosteuropa

Gebäude in Sarajevo, Bosnien und Herzegowina
(Bildnachweis: Photo by Markus Winkler on Unsplash)

Der Balkan, so glaubte einst der britische Premierminister Winston Churchill (1874-1965), würde mehr Geschichte erzeugen, als er tatsächlich bewältigen könne. Wenngleich sich dieses Bild in den Köpfen vieler Menschen verfestigt hat, haben sich die Staaten Südosteuropas nach den nunmehr zwei Jahrzehnte zurückliegenden kriegerischen Auseinandersetzungen fundamental gewandelt. Dennoch stehen die Staaten dieser Region vor großen außen- und innenpolitischen Fragen und Herausforderungen.

Während sich Bulgarien, Rumänien, Slowenien und Kroatien schon seit einigen Jahren offiziell zu den Mitgliedern der Europäischen Union (EU) zählen dürfen, verhalten sich die verbliebenen Staaten des Westbalkans hinsichtlich ihrer Integration unterschiedlich: Serbien und Montenegro haben die EU-Beitrittsverhandlungen bereits begonnen. Das Binnenland Nordmazedonien konnte nach einem fast dreißigjährigen Namensstreit einen Kompromiss mit seinem südlichen Nachbarn Griechenland im Zuge des Prespa-Abkommens aushandeln und so die Beitrittsbemühungen deutlich vorantreiben. Obwohl der Widerstand sowohl im nordmazedonischen als auch im griechischen Parlament groß war, trat die Namensänderung am 12. Februar 2019 offiziell in Kraft – und die EU-Beitrittsverhandlungen wurden Ende März 2020 aufgenommen. Albanien ist bereits seit dem 24. Juni 2014 offizieller EU-Beitrittskandidat, aber erst im März 2020 hat der Europäische Rat den Beginn von Beitrittsverhandlungen mit dem südosteuropäischen Land beschlossen. Nachdem Bosnien und Herzegowina ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) mit der EU unterzeichnet hat, wurde am 15. Februar 2016 ein Beitrittsgesuch gestellt. Das Kosovo, welches erst am 17. Februar 2008 seine Unabhängigkeit erklärte, hat zwar am 1. April 2016 ebenfalls ein SAA mit der EU unterzeichnet; jedoch wird der Beitritt zur Union erheblich erschwert, zumal der jüngste Staat Europas von einigen EU-Mitgliedstaaten bisher noch nicht anerkannt wurde. Darüber hinaus sind die bilateralen Beziehungen zu Serbien, welches das Kosovo als integralen Bestandteil des serbischen Staates betrachtet, ausgesprochen angespannt.

Weiterhin befinden sich die Staaten Südosteuropas in politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Transformationsprozessen. Die Stärkung der demokratischen Institutionen, Rechtsstaatlichkeit und die Garantie der bürgerlichen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Grundrechte sowie der Minderheitenrechte stellen für sie eine zentrale Herausforderung im EU-Beitrittsprozess dar. Gleichzeitig ist jedoch die wirtschaftliche Lage in den Ländern des Westbalkans, vor allem im Zuge der Coronavirus-Pandemie des Jahres 2020, äußerst schwierig und fragil. Außerdem verstärken Faktoren wie Korruption, Miss- und Vetternwirtschaft, organisierte Kriminalität und die Migrationsströme aus Afrika und dem Mittleren Osten die Krise zusehends, beeinflussen die politische, wirtschaftliche und soziale Stabilität in der Region und bereiten den Nährboden für politischen Extremismus und religiösen Fundamentalismus.

Wie können politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Transformationsprozesse in den Ländern Südosteuropas befördert werden? Welche Lösungsansätze lassen sich in bestehenden bilateralen Konflikten, offenen Staatsbildungsprozessen und bei Fragen des interethnischen Zusammenlebens finden? Welchen zukünftigen Herausforderungen sehen sich die Staaten Südosteuropas gegenüber? Welchen Einfluss übt die EU auf die Transformation der Länder der Region aus? Welche Rolle spielen die bilateralen Beziehungen zu folgenden Ländern: Russland, China, der Türkei und den arabischen Golfstaaten? Wie entstehen politischer Extremismus und religiöser Fundamentalismus und wie kann man ihnen angemessen begegnen? Diese und weitere Fragen werden von der KFIBS-Forschungsgruppe „Südosteuropa“ behandelt und untersucht.

Die Arbeitsschwerpunkte der Forschungsgruppe „Südosteuropa“ lauten wie folgt:

I. Geografisch:

  • Albanien
  • Bosnien und Herzegowina
  • Kosovo
  • Kroatien
  • Montenegro
  • Nordmazedonien
  • Serbien
  • Slowenien

II. Thematisch:

  • Transformationsforschung unter besonderer Berücksichtigung von Fragestellungen aus unterschiedlichen politikwissenschaftlichen Teildisziplinen
  • EU-Erweiterung und Beitrittsperspektive der Westbalkanstaaten
  • Fragen von Flucht und Migration
  • Versöhnungsarbeit und Transitional Justice
  • Fragen der Identität und damit einhergehende Probleme
  • Geschichte und Kultur Südosteuropas
  • Politischer Extremismus und religiöser Fundamentalismus
  • Der Nexus zwischen Politik und Religion
  • Peacekeeping und Nation-Building
  • Politische, (zivil-)gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung in den Westbalkanstaaten
  • Sezession und Staatszerfall unter besonderer Berücksichtigung der historischen Gegebenheiten
  • Friedens- und Konfliktforschung sowie Konfliktmanagement und zivile Konfliktbearbeitung
  • Sicherheitspolitische Fragen wie die Folgewirkungen der Coronavirus-Pandemie 2020 für den Westbalkan
  • Fragen der Sicherheitssektorreform, insbesondere Polizeireformen und zivil-militärische Beziehungen
  • Außenpolitik der westlichen Staaten gegenüber den Westbalkanländern und umgekehrt
  • Außenpolitik von Staaten wie Russland und die Türkei gegenüber dem Westbalkan als Gegengewicht zum außenpolitischen Einfluss der EU
  • Praxisorientierte Forschung und Politikberatung

Abgeschlossene und laufende Projekte der KFIBS-Forschungsgruppe:

Mitglieder der KFIBS-Forschungsgruppe sind:

Dr. phil. Sascha Arnautović (FG-Sprecher)

Artan Berisha B.A., M.A.

Nikola Dragoljević, Bachelor-Student

David Isken B.A., M.A.

Tijana Karić, PhD

Simon I. Lenhart B.Sc., M.A.

Rigels Lenja, BA, MSc, Doktorand

Nikolas Schmidt B.Sc., MPP