Am 20. Januar 2021 erfolgte die Amtseinführung des 46. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Joseph R. Biden, Jr. Die Zeit der Unberechenbarkeit sowie die teils willkürliche „Wrecking Ball“-Politik Trumps sind offenbar zumindest für die nächsten vier Jahre von der weltpolitischen Bühne verschwunden. Bereits am Tag seiner Inauguration unterzeichnete der neue US-Präsident Biden 17 Präsidialverordnungen (sog. Executive Orders). Die meisten davon setzten vorherige Trump-Beschlüsse größtenteils außer Kraft. Neben der Einführung eines bundesweiten Maskengebots, dem Wiedereintritt in die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und in das Pariser Klimaabkommen hob Biden auch den sogenannten Muslim Travel Ban auf. Letzteres untersagte Menschen aus bestimmten muslimischen Ländern die Einreise in die USA. Diese Maßnahme kann immerhin als ein erster wichtiger Schritt in Richtung Wiederannäherung Washingtons an Teheran gewertet werden. Eine außenpolitische Priorität Bidens ist es auch, den USA eine Rückkehr zum „Joint Comprehensive Plan of Action“ (kurz: JCPOA) von „P5+1“ (nach dem unilateralen Ausstieg der USA nunmehr „P4+1“) und Iran zu ermöglichen. Den öffentlichen Bekundungen des neuen US-Präsidenten nach zu urteilen, scheint dieser somit die „Politik der ausgestreckten Hand“ seines Amtsvorgängers Barack H. Obama weitestgehend fortführen zu wollen. Doch was sind die Aussichten für den Wiedereintritt der USA in das „Wiener Atomabkommen“? Viel wichtiger noch: Reicht eine „bloße“ Rückkehr der USA zum JCPOA aus oder haben sich fünf Jahre nach Abschluss des Vertrages die Ausgangsbedingungen für die friedliche Beilegung des Nuklearkonfliktes zwischen Iran und der „P5+1“-Gruppe maßgeblich verändert?
Argumente für und Argumente gegen den JCPOA
Kompromisse im Sinne eines do ut des zählen gemeinhin zum Wesen der Diplomatie. Diesen Anforderungen kommt der JCPOA – abgeschlossen im Juli 2015 nach zwölf Jahren zäher Verhandlungen – zumindest in Fragen der nuklearen Rüstungskontrolle größtenteils nach. Das 150-seitige Vertragswerk stellt zwar keinen optimalen, aber wenigstens einen akzeptablen Lösungsansatz dar. Bereits zum Wahlkampfauftakt 2016 bezeichnete der spätere US-Präsident Donald J. Trump das Atomabkommen jedoch als „den schlechtesten Deal aller Zeiten“ und kündigte es schließlich im Präsidentenamt im Sommer 2018 kurzerhand unilateral auf. Die Gegner des Iran-Nukleardeals beziehen sich in ihrer Kritik überwiegend auf drei zentrale Pfeiler: Zum einen wird die kurze Laufzeit des Vertrages sowie der Ausschluss iranischer Raketensysteme moniert. Zum anderen werfen sie dem Iran vor, mit der finanziellen und militärischen Unterstützung lokaler Milizen (Hisbollah, Hamas u. a.), den „Geist“ des Abkommens verletzt und damit maßgeblich zur Instabilität im Nahen und Mittleren Osten beigetragen zu haben. Die Befürworter des „Wiener Atomabkommens“ hingegen sehen den größten Erfolg der internationalen Übereinkunft in der Entschärfung des Nuklearkonfliktes, womit zugleich und wenigstens zeitweise eine militärische Option gegen das iranische Atomprogramm vom Tisch zu sein schien. Die Zeichen für einen Wiedereintritt stehen zumindest derzeit nicht schlecht. So betonte auch der iranische Präsident Hassan Rohani erst kürzlich in einer Kabinettssitzung, dass er einer US-Rückkehr zum JCPOA offen gegenüberstehe. Der Ball, so betonte der iranische Präsident aber ausdrücklich, läge zurzeit im Feld der USA. Weitere Verhandlungen bzw. eine Rückkehr zum „Wiener Atomdeal“ könnten letztendlich auch an den Ambitionen der neuen US-Regierung, den Vertrag um weitere Themen der Rüstungskontrolle zu erweitern, scheitern. Im Zuge eines gegenseitigen „Gebens und Nehmens“ wird die zentrale Frage bei künftigen Verhandlungen sein, was für den Iran und was für die „P5+1“-Delegation als verhandelbar gilt und was nicht.
Lehren aus der Vergangenheit
Wollen die USA Zugeständnisse des Irans – etwa hinsichtlich des Raketenprogramms oder regionaler Einmischungen – erreichen, können sie wichtige Lehren aus der Vergangenheit ziehen: In den zwölf Jahren langwieriger Verhandlungsrunden mit dem Iran, die von Phasen der Annäherung und Konfrontation geprägt waren, hat die Obama-Administration mit Abschluss des JCPOA erstens gezeigt, dass grundsätzlich eine gemeinsame Lösung hinsichtlich nuklearer Rüstungskontrolle mit dem Iran möglich ist. Ob der Iran jedoch überhaupt willens ist, sein Raketenprogramm sowie seine regionalen Ambitionen zu verhandeln, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Die Erfolgsaussichten dafür können aber als äußerst gering eingeschätzt werden, bedenkt man etwa das bis heute klare Festhalten des Obersten Religionsführers Ali Chamenei an seiner „roten Linie“, über Themen jenseits des Nuklearprogramms nicht einmal Gesprächen zuzustimmen. Erschwerend kommt hinzu, dass der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif erst kürzlich betonte, dass der Wiedereintritt in den JCPOA bereits dann gefährdet sei, wenn die USA gedenken, diesen an neue Bedingungen zu knüpfen bzw. neu zu verhandeln. Dies führt zur zweiten wichtigen Erkenntnis, nämlich dem Nutzen eines langsamen, schrittweisen und bedachten Vorgehens. Sollten die USA auf unrealisierbare Vorbedingungen bestehen, wie es im Rahmen des 12-Punkte-Plans des ehemaligen US-Außenministers Michael R. Pompeo der Fall war, wird dies höchstwahrscheinlich zum Ende des JCPOA und zur weiteren Zuspitzung des Nuklearkonfliktes führen. Daran, Teheran mit einer „Politik des maximalen Drucks“ zu einer Verhaltensänderung zu bewegen, sind zuvor sowohl George W. Bush als auch Donald J. Trump gescheitert. Zudem darf nicht vergessen werden, dass Israel, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) entschiedene Gegner des Iran-Nukleardeals sind und den USA eine Rückkehr zum bereits bestehenden Vertragswerk zusätzlich erschweren werden. So fordern sie, den Vorteil der wiederauferlegten unilateralen US-Sanktionen gegen den Iran für künftige Gespräche nutzen zu können, um das Regime in Teheran zu noch mehr Konzessionen zu bewegen. US-Präsident Biden muss daher nicht nur den Kongress der Vereinigten Staaten, sondern auch seine regionalen Partner von einer diplomatischen Lösung überzeugen.
Maßnahmen und Erfolgsaussichten für eine Rückkehr zum JCPOA
Für eine Entspannung der aktuell zugespitzten Lage zwischen Teheran und Washington gilt es als Erstes, Schritte der Deeskalation einzuleiten. Trumps Politik des „maximalen Drucks“ für weitere Konzessionen seitens des Irans zu nutzen, würde nicht nur die Glaubwürdigkeit der USA weiter beschädigen und einen zunehmenden Vertrauensverlust nach sich ziehen, sondern auch gleichzeitig das Risiko einer militärischen Eskalation weiter erhöhen. Dies ist auch vor dem Hintergrund zu betrachten, dass sich Biden mehrmals entschieden gegen eine solche strategische Vorgehensweise ausgesprochen hat. Ein erster wichtiger Deeskalationsschritt war die Aufhebung des Muslim Travel Ban. Ein zentrales Schlüsselelement betrifft darüber hinaus die US-Sanktionspolitik. Das Sanktionsregime gegen den Iran ist hoch komplex, umfassend und wirkt zugleich sektorübergreifend. Für die Biden-Administration wäre es an dieser Stelle aber sinnvoll, zumindest die Sanktionen aufzuheben, die dem Iran den Zugang zu humanitären Hilfen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie versperren. Im Gegenzug müsste sich der Iran jedoch dazu bereit erklären, seinen Verpflichtungen gemäß den Vertragsauflagen des JCPOA wieder vollständig nachzukommen. Außerdem erscheint es zweckmäßig, einen Weg zu finden, künftigen Vertragsverletzungen vorzubeugen. Neben dem „Snap Back“-Mechanismus, der bei Vertragsbrüchen seitens des Irans die Wiedereinsetzung aller vorherigen Sanktionen vorsieht, ist im JCPOA ein unilateraler Ausstieg seitens einer der „P5+1“-Vertragsparteien nicht geregelt. Die Einführung einer Exit- bzw. Wiedereintrittsklausel könnte hier Abhilfe schaffen. Sollten diese ersten Deeskalationsmaßnahmen erfolgreich sein, können womöglich parallel zu den Nuklearverhandlungen diplomatische Schritte eingeleitet werden, die auch die regionalen Aktivitäten des Irans in den Blick nehmen. Insbesondere die USA sollten sich aber vorab darüber klar werden, welche Rolle sie künftig in der Region noch spielen wollen. Hier gilt es, strategisch zu eruieren, wie sich langfristig die Beziehungen zwischen dem Iran und den USA gestalten sollen. Im Rahmen weiterführender diplomatischer Gespräche mit dem Iran sollten darüber hinaus auch die regionalen Partner wie Saudi-Arabien, Israel und die VAE mit einbezogen werden.
(Hinweis: Der vorliegende Blog-Beitrag gibt nicht zwingend die Meinung des KFIBS e. V. wieder.)
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