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(Bildnachweis für das obere Beitragsbild: Photo by Trent Erwin on Unsplash)

 

Zu Ihrer Information:

Auf diesem Vereinsblog halten Sie die Mitglieder der KFIBS-Forschungsgruppe „USA/Transatlantische Beziehungen/NATO“ auf dem Laufenden mit Beiträgen zur US-Wahl 2020. Auch die Folgen der letzten US-Wahl werden von den Autorinnen und Autoren der o. g. KFIBS-Forschungsgruppe thematisiert und diskutiert.

Zusätzlich haben wir noch eine vornehmlich sicherheitspolitisch ausgerichtete Themenreihe auf unserem Blog zur globalen Coronavirus-Pandemie aus der Perspektive verschiedener Regionen vorgesehen.

Beide thematischen Blog-Kategorien – sprich: „Die US-Wahl 2020 und ihre Folgen“ sowie „Implikationen der globalen Coronavirus-Pandemie“ – finden Sie ab Mai 2020 unter folgenden Links: https://kfibs.org/category/us-wahl_2020/, https://kfibs.org/category/globale_coronavirus-pandemie/.

Mit einer dritten thematischen Blog-Kategorie „Internationale Beziehungen Afrikas“ der KFIBS-Forschungsgruppe „Afrika“ starten wir ab Juni 2023. Diese kann unter folgendem Link abgerufen werden: https://kfibs.org/category/internationale_beziehungen_afrikas/.

Allgemeine Blog-Themen, die sich nicht den zuvor genannten thematischen Blog-Kategorien zuordnen lassen, finden Sie ab März 2022 im folgenden Seitenabschnitt.

 

05/12/2022: Towards a European ‘Open Strategic Autonomy’: A German View on the ‘European Chips Act’

Florian Hoppe

Undoubtedly, Russia’s invasion of Ukraine has radically changed the headlines of European newspapers this year. Unlike before, issues of security policy are suddenly at the centre of media attention. Moreover, the far-reaching financial consequences of the war, for example shortages in the energy supply, are painfully felt by the broader population in European economies.

Behind the scenes there is, however, another power struggle in existence which may affect the course of European economies in the coming decades. The increasing digital automation of global industries has resulted in a soaring demand for semi-conductors. The damage caused by a shortage in the global semi-conductor supply could be observed by its effect on the German car industry in 2022.

The European Commission expects the Chip demand to double between 2022 and 2030 as indicated in the recently published ‘European Chips Survey’. Semi-conductors are the key component of the increasing global digitalisation process. This in turn causes an extreme global dependency which can be instrumentalised by certain regimes in the context of geopolitical power struggles.

So far, however, no country can produce semi-conductors autonomously. The production of wavers is a highly integrated process, and the semi-conductor value chain depends on a few actors which in turn are highly dependent on each other. However, the rising power ambition of China and the growing tensions with Taiwan raise serious concerns regarding the stability of this system of interconnected and international trade in the future. Thanks to leading global players in the semi-conductor value chain, such as TSMC, Taiwan so far can uphold its often cited ‘Silicon Shield’. The consequences of an attack on Taiwan by China for the global semi-conductor value chain would thus be devastating.

Following the EU’s leitmotif in the new trade policy of ‘Open Strategic Autonomy’, the EU has to balance the often contradictory concepts of economic openness on the one hand and strategic autonomy on the other hand. From this perspective, the ‘European Chips Act’ can be interpreted as an attempt by the European Commission to secure the resilience and competitiveness of European economies in the future. According to official EU estimates, of one trillion microchips manufactured around the world in 2020, the EU had a share of 10 per cent of the global microchips market. The ambitious goal of the so-called European Chips Act is to increase this share to 20 per cent of the global market until the end of this decade. Since the global market size for semi-conductors will also double until 2030, this would mean an increase by the factor five. Therefore, this goal is most likely not realisable as private sector actors like the association of Germany’s Electro and Digital Industry (ZVEI e.V.) indicate. However, the USA with the so-called CHIPS for America Act and, most notably, China with the ‘14th Five-Year Plan’ are trying to strengthen their semi-conductor industries as well.

The necessary size of the ‘European Chips Act’ and which waver size should be targeted in the production is still an ongoing political dispute.

Interestingly, however, there seems to be a broad agreement of many relevant actors on another issue. In their public statements both private sector actors like the association of Germany’s Electro and Digital Industry (ZVEI e.V.), the high-tech network Silicon Saxony e.V., the DIHK, as well as public actors like the German Federal Foreign Office or the European Commission state that the production of semi-conductors and their geopolitical consequences exceed both politically and financially the capabilities of the single European nation state. In contrast to the seemingly everlasting EU-bashing and unconstructive anti-EU rhetoric from some European leaders such as, most notably, Viktor Orbán, the European project seems to be more than a loose political association based on an outdated peace-building ideology of the 20th century. On the contrary, the European project presents itself in the 21st century not as a naïve dream but as a geopolitical necessity if European nation states want to omit the strategical dependence of global powers in a multilateral world order.

To refer to an unfortunate term, most famously coined by the former chancellor Angela Merkel: In the long run, a European agreement is ‘alternativlos’ or, in other words, without any reasonable alternative.

By Florian Hoppe

(Hinweis: Der vorliegende Blog-Beitrag gibt nicht zwingend die Meinung des KFIBS e. V. wieder.)

(Bildnachweis für Beitragsbild: Photo by Anne Nygård on Unsplash)

 

17.03.2022: Zum derzeitigen Verhandlungsstand im Ukraine-Krieg: Nur wenig Hoffnung auf eine diplomatische Lösung

Jakob Landwehr-Matlé

Alle Seiten im Hinblick auf den russischen Angriffskrieg betonen immer wieder, dass eine Konfliktlösung nur über eine Vereinbarung zwischen den unmittelbar involvierten Parteien zu finden sein wird. Seit einigen Tagen gibt es dazu entweder direkte Treffen zwischen Vertretern der Ukraine und Russlands oder Verhandlungsrunden im Beisein eines Mediators oder eines Moderators. Im letzten Fall haben sich beispielsweise die Türkei und Israel, die gute Beziehungen zu beiden Konfliktparteien pflegen, ins Spiel gebracht. Bisher sind jedoch die Forderungen von russischer Seite, die eine Anerkennung der Krim als Teil Russlands oder die Anerkennung der ostukrainischen Separatistengebiete im Donbass als unabhängige Staaten beinhalten, für die Ukraine inakzeptabel. Hinzu kommen Forderungen nach einem neutralen Status der Ukraine und einer „Entmilitarisierung“ des Landes, bei denen es mehr Verhandlungsspielraum zu geben scheint. Die Ukraine dringt ihrerseits hingegen auf ein Ende des Krieges mit einem vollständigen Abzug der russischen Truppen sowie auf verlässliche und überprüfbare Sicherheitsgarantien im Anschluss daran. Ein Großteil der Verhandlungen bezieht sich außerdem auf humanitäre Korridore für die belagerten ukrainischen Städte, die eine Evakuierung und Versorgung der Zivilbevölkerung oder einen Austausch von Gefangenen ermöglichen sollen. Es zeigt sich aber auch, dass selbst bereits getroffene Vereinbarungen nicht eingehalten werden, da seit Tagen festgeschriebene Routen teilweise oder gar ganz blockiert werden. Beide Konfliktparteien geben sich dafür gegenseitig die Schuld.

Aus einer theoretischen Perspektive werden die aktuellen Verhandlungen noch nicht zu einer diplomatischen Lösung führen. Weder für die ukrainische noch für die russische Seite sind die materiellen und immateriellen Kosten des Konfliktes derzeit hoch genug, um von Positionen abzurücken, die von der jeweils anderen Seite nicht akzeptabel sind oder selbst genügend Zugeständnisse zu machen, um eine diplomatische Einigung zu erzielen. Es hat sich bisher auch noch keine Pattsituation ergeben. Beide Seiten – insbesondere die russische Seite – hoffen darauf, dass die Kosten des Konfliktes sich zuungunsten der jeweils anderen Seite entwickeln werden. Die zunehmend bewusste Bombardierung der ukrainischen Zivilbevölkerung ist u. a. ein Druckmittel gegenüber der politischen Führung in Kiew, um diese zu Zugeständnissen zu bringen, sodass das Leid der eigenen Bevölkerung gelindert wird. Es ist daher richtig und wichtig, den politischen und wirtschaftlichen Druck auf die Russische Föderation zu erhöhen und gleichzeitig die Ukraine bestmöglich zu entlasten, um so Moskau von seinen Maximalforderungen abzubringen und doch noch eine Verhandlungslösung zu ermöglichen. Eine Konfliktlösung ist in dem Moment greifbar, in dem die Präsidenten der Ukraine und Russlands direkt miteinander sprechen und verhandeln, was zwar wiederholt vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gefordert wurde, bislang jedoch von russischer Seite unerwidert geblieben ist. Dazu wird es aller Voraussicht nach erst kommen, wenn die beiden Delegationen in den Vorverhandlungen eine solide Grundlage für eine Vereinbarung gefunden haben.

Von Jakob Landwehr-Matlé

(Hinweis: Der vorliegende Blog-Beitrag gibt nicht zwingend die Meinung des KFIBS e. V. wieder.)

(Bildnachweis für Beitragsbild: Photo by ev on Unsplash)

 

15.03.2022: Der Ukraine-Krieg vor dem Hintergrund zweier gängiger politikwissenschaftlicher Friedensbegriffe

Kimberly Schmidt

Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat die Friedenszeit in Europa beendet. Die unmittelbaren Opfer sind unbestreitbar die Menschen in der Ukraine selbst – und es bleibt nur zu hoffen, dass die Kampfhandlungen möglichst schnell beendet werden. Diesbezüglich wird immer häufiger die Frage in den Raum gestellt, ob es für den Frieden nicht dienlicher wäre, wenn sich die Menschen in der Ukraine einfach ergeben würden. Doch wäre das Resultat nicht vielmehr mit einer repressiven Besatzung als eine Art von Frieden gleichzusetzen? Welcher Frieden soll genau entstehen? Und welche Form des Friedens ist unter den aktuellen Umständen die wahrscheinlichste?

In der Politikwissenschaft wird zwischen „positivem“ und „negativem“ Frieden unterschieden. Das Konzept des „positiven“ Friedens verkörpert fundamentale Grundwerte wie Gerechtigkeit und Freiheit. Es beschreibt einen Zustand, der sowohl personelle Gewalt (Krieg) als auch strukturelle Gewalt (Formen der Diskriminierung und Benachteiligung) ausschließt. Diese Art des Friedens ist zurzeit jedoch äußerst unrealistisch. Die Voraussetzung für die Verwirklichung eines „positiven“ Friedens ist zunächst einmal die Realisierung eines „negativen“ Friedens, unter welchem die Abwesenheit von Krieg zu verstehen ist. Die obersten Prioritäten des „negativen“ Friedens sind daher eine Deeskalation bestehender Konflikte und die Beendigung militärischer Gewaltanwendung. Ein „negativer“ Frieden in Form einer Waffenruhe, eines einfachen Waffenstillstands zwischen Russland und der Ukraine, wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung, da dies die Grundlage für ein mögliches Friedensabkommen zwischen den beiden Kriegsparteien legen würde.

Von Kimberly Schmidt

(Hinweis: Der vorliegende Blog-Beitrag gibt nicht zwingend die Meinung des KFIBS e. V. wieder.)

(Bildnachweis für Beitragsbild: Photo by Elena Mozhvilo on Unsplash)