Joe Bidens Obama-Bonus – und zugleich auch Obama-Malus?

Porträt Maximilian Muhl
Maximilian Muhl

Offiziell ist Joseph R. „Joe“ Biden, Jr. noch nicht der nominierte Kandidat der US-Demokraten, der bei der anstehenden Präsidentschaftswahl am 3. November 2020 gegen Amtsinhaber Donald J. Trump antreten wird. Seit dem Rückzug von Bernard „Bernie“ Sanders aus dem Vorwahlkampf der Partei gibt es jedoch nur noch Biden als Kandidaten, sodass er als sicherer Herausforderer Trumps angesehen werden kann. Es ist bereits sein dritter Anlauf nach 1988 und 2008, US-Präsident zu werden.

Während Sanders als Favorit unter jungen Demokraten und Latinos galt, spricht Biden andere Wählergruppen an: Er wird als Vertreter des Washingtoner Establishments und der etablierten Politik der Demokraten wahrgenommen. Auch er spricht aber eine ethnische Wählergruppe besonders an: die afroamerikanischen Demokraten. Seinen Vorsprung in den demokratischen Vorwahlen gegenüber dem anderen Bewerberfeld um die Präsidentschaftskandidatur verdankt er u. a. eben dieser Gruppe, wie er selbst sagt: „There’s only one reason I’ve come back. The African American Community all around the country.“ (Biden zit. nach McGhee, 2020)

Während mehrere afroamerikanische Politikerinnen und Politiker wie Cory A. Booker in den US-Vorwahlen 2020 antraten, um Kandidatin oder Kandidat der Demokratischen Partei zu werden, erhielt Biden den Zuspruch der afroamerikanischen Gemeinschaft. Denn er repräsentiert die genannte Wählergruppe nicht nur deskriptiv, sondern auch substanziell. Diese Repräsentation und die daraus resultierende Beliebtheit entspringen einem entscheidenden Faktor, nämlich Bidens Verbindung zu Ex-Präsident Barack H. Obama.

Der Obama-Bonus

Dass Biden als 47. Vizepräsident der Vereinigten Staaten unter Barack Obama gedient hat, brachte ihm bei den demokratischen Vorwahlen 2020 einen gewichtigen Vorteil. Afroamerikanische US-Bürgerinnen und US-Bürger sehen in Bidens Vizepräsidentschaft, dass er sich einem politisch weniger erfahrenen und zudem noch jüngeren afroamerikanischen Politiker untergeordnet hat und das ganze acht Jahre lang. Diese Demut verschafft dem 77-Jährigen Respekt und vor allem Vertrauen in dieser ethnischen Gruppe. Sie erkennt, dass man sich auf Biden als Partner einer spezifischen Agenda verlassen kann und er sich dieser Agenda auch tatsächlich unterordnet. Kurzum: Afroamerikanische Demokraten sind loyal gegenüber Biden. Sie wollen, dass er Obamas Politik weiterführt und ihnen wieder diejenige politische Stimme gibt, die sie unter Trumps Amtsvorgänger genossen hatten und die ihnen historisch betrachtet lange verwehrt blieb. Seine Position in diesem Sinne wird durch die offizielle Unterstützung seiner Kandidatur durch Obama noch gestärkt.

Der Obama-Malus

Die Präsidentschaft Obamas kann jedoch auch als Nachteil Bidens ausgelegt werden; denn die dunkelhäutigen Wählerinnen und Wähler sind keineswegs als homogene Wählergruppe zu betrachten. Junge afroamerikanische Demokraten präferierten Sanders, was sich mit Obamas Wahlsiegen erklären lässt: Heutige junge Wählerinnen und Wähler haben diese als erste Wahlen wahrgenommen oder an ihnen teilgenommen. An Obamas überraschendem Sieg im Jahr 2008 konnten sie sehen, dass ein echter Wandel möglich ist und auch Kandidaten, die nicht die Unterstützung des Partei-Establishments genießen, gewinnen können. In Sanders sahen sie nun – im Gegensatz zu Biden – denjenigen Kandidaten, der Wandel und Hoffnung gleichermaßen verkörpert. Ihre Unterstützung für Joe Biden in der diesjährigen US-Präsidentschaftswahl erscheint somit zumindest zweifelhaft, da er das Washingtoner Establishment verkörpert.

Im November wird sich folglich zeigen, ob Barack Obama seinem engsten Weggefährten Joe Biden zum Wahlsieg verhelfen kann.

Von Maximilian Muhl

(Hinweis: Der vorliegende Blog-Beitrag gibt nicht zwingend die Meinung des KFIBS e. V. wieder.)

 

(Bildnachweis für Beitragsbild: Photo by visuals on Unsplash)