Friedens- und Konfliktforschung

"Non-Violence"-Skulptur, UN-Hauptquartier, New York, USA
(Bildnachweis: Photo by Maria Lysenko on Unsplash)

Angesichts enger weltpolitischer und weltwirtschaftlicher Verflechtungen gewinnt die Friedens- und Konfliktforschung stetig an Bedeutung. Als Forschungsfeld innerhalb der Politikwissenschaft befasst sie sich mit Fragen der Konfliktursachen, Friedensbildung, Konflikttransformation und Konfliktprävention. Das durch die Globalisierung geschärfte Bewusstsein für weltweite Konfliktlinien führt nicht zuletzt zu einer stärkeren wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesen Entwicklungen.

Ein Themenfeld, mit dem sich die KFIBS-Forschungsgruppe „Friedens- und Konfliktforschung“ beschäftigt, ist die Konfliktursachenforschung. Die Zahl zwischenstaatlicher Konflikte und Kriege ist zwar seit dem Ende des Ost-West-Konflikts rückläufig, doch dieser Entwicklung entgegengesetzt steigt die Zahl innerstaatlicher Konflikte kontinuierlich an und vermehrt entwickeln sich Krisenländer zu „gescheiterten Staaten“ (failed states).

Durch die Resolutionsforschung beschäftigt sich die Friedens- und Konfliktforschung mit möglichen Lösungsansätzen für internationale und innerstaatliche Konflikte. Ob Missionen internationaler Organisationen (UN, EU, AU, NATO usw.) oder innerstaatliche Friedensbemühungen: Die Resolutionsforschung analysiert erfolgreiche und gescheiterte Befriedungsversuche. Sie arbeitet mit der Methode der Konfliktanalyse. Der gegenwärtige Zustand und die Vergangenheit werden analysiert, um zukunftsorientierte Lösungsansätze zu erörtern. Dieser Ansatz kann sich z. B. an zuvor festgelegten Kategorien und/oder an gestellten Leitfragen orientieren. Darüber hinaus beschäftigt sich die Resolutionsforschung mit Postkonfliktprozessen. Ihre Aufgabe in diesem Kontext ist es, die langfristige Entwicklung einer Region oder eines Staates nach einem Konflikt zu betrachten. Es bedarf oftmals jahrelanger Aufarbeitung und zahlreicher Befriedungsmaßnahmen, um eine Rückkehr zum Zustand vor dem Konflikt zu ermöglichen. Häufig ist eine Rückkehr dazu nicht gewollt oder möglich – und es wird versucht, auf Grundlage multidisziplinärer Ansätze eine neue Realität zu schaffen.

Ein dritter Forschungsgegenstand „Theorien der Friedens- und Konfliktforschung“ geht anderen grundlegenden Fragen der Friedens- und Konfliktforschung nach. So müssen Definitionsfragen und Begriffe wie „Konflikt“, „Gewalt“, „Krieg“ und „Frieden“ (und welche Konzepte sich dahinter verbergen) im Lichte neuer Konfliktsituationen und in Bezug auf die Dynamik internationalen Rechts und verschiedener Wertesysteme immer wieder neu interpretiert werden, um eindeutige Antworten auf aktuelle Fragen geben zu können.

Das Forschungsfeld „New Threats to International Peace and Security“ beschäftigt sich mit der Einordnung und Analyse gegenwärtiger Herausforderungen im Bereich der Friedens- und Konfliktprozesse. Diese und andere wissenschaftlich relevante Schwerpunkte sollen im Rahmen unserer thematischen KFIBS-Forschungsgruppe aufgegriffen und behandelt werden.

Die Arbeitsschwerpunkte der Forschungsgruppe „Friedens- und Konfliktforschung“ lauten wie folgt:

I. Thematisch:

  • Ursachenforschung und Konfliktprävention
  • Resolutionsforschung, Konfliktanalyse und Konfliktnachsorge
  • „Gender and Race“/„Ethnicity“
  • Klimaschutz und Frieden
  • Fragile Staatlichkeit und failed states

II. Geografisch:

Wir forschen zu globalen Friedensdynamiken und regionalen Krisenentwicklungen. Regionale Expertise bringen wir vor allem zu Lateinamerika, zur MENA-Region sowie zu Subsahara-Afrika und Südosteuropa mit. Globale strukturelle Asymmetrien und soziale Ungleichheit als Treiber von Konflikten verfolgen wir mit großem Forschungsinteresse.

Laufende Projekte der KFIBS-Forschungsgruppe:

  • Seit 2023: Online-Publikationsprojekt „Vergessene Konflikte“

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Einleitung

Die meisten Politikwissenschaftlerinnen und Politikwissenschaftler sowie wissenschaftlichen Studien stimmen in der Annahme überein, dass die Menschheit gegenwärtig in der historisch friedlichsten Zeit lebt, da sowohl die Anzahl gewaltsamer Konflikte als auch die durchschnittliche Zahl der Gefechtstoten pro Jahr seit 1946 signifikant gesunken sind (vgl. Harsanyi 2020). Trotzdem ist der Friedenszustand – geografisch betrachtet – äußerst ungleich verteilt: Während Europa im globalen Vergleich die friedlichste Region ist, repräsentiert Subsahara-Afrika seit vielen Jahren die Region mit der höchsten Zahl an Kriegsschauplätzen (vgl. HIIK 2022: 2). Es ist ersichtlich, dass das globale Konfliktpanorama nach wie vor von einer hohen Anzahl an Konflikten gekennzeichnet ist, wie z. B. zwischenstaatlichen Kriegen, Bürgerkriegen und anderen Formen gewaltsamer intrastaatlicher Konflikte. Dennoch erscheinen die meisten Konflikte nicht auf den politischen Agenden anderer Nationalstaaten und erlangen nur sehr wenig internationale mediale Aufmerksamkeit. Daraus folgt, dass zahlreiche gewaltsame Krisen in Vergessenheit geraten, obwohl lang anhaltende Konflikte und vom Krieg zerrissene Länder sowohl eine ernst zu nehmende Gefahr für die Einhaltung und Durchsetzung von Menschenrechten darstellen als auch die internationale Sicherheit gefährden können, indem sie ganze Regionen destabilisieren (vgl. Büttner 2004: 2). Das Ziel dieses KFIBS-Forschungsgruppenprojekts ist es daher, die Öffentlichkeit an genau solche „Vergessene Konflikte“ zu erinnern, indem ausgewählte Beispiele in Form von KFIBS-Hintergrundberichten illustriert werden.

Die Forschungsgruppe „Friedens- und Konfliktforschung“ des KFIBS e. V. hat bewusst den Projekttitel „Vergessene Konflikte“ anstatt „Vergessene Kriege“ gewählt, da das Konzept des Konflikts wesentlich umfangreicher ist, indem es alle Formen gewaltsamer Konflikte miteinbezieht. Laut der wissenschaftlich anerkannten Definition des Heidelberger Instituts für Internationale Konfliktforschung e. V. (HIIK) kann zwischen fünf Konflikttypen unterschieden werden, die sich im Hinblick auf ihre Konfliktintensität voneinander unterscheiden. Diese lauten wie folgt: Disput, gewaltlose Krise, gewaltsame Krise, begrenzter Krieg und Krieg; wobei die letzten drei Stufen die Kategorie der Gewaltkonflikte bilden. Gewaltkonflikte zeichnen sich dadurch aus, dass Gewalt direkt gegen Personen und/oder gegen Gegenstände eingesetzt wird, wobei dabei billigend in Kauf genommen wird, dass Personen physisch geschädigt werden können. Konflikte können sowohl innerstaatlich, d. h. innerhalb der Grenzen eines Staatsgebiets stattfinden, als auch zwischenstaatliche Beziehungen betreffen (vgl. HIIK 2022: 9 f.).

Von Kimberly Schmidt B.Sc., M.A., (ehemalige) verantwortliche KFIBS-Forschungsgruppensprecherin

Quellen:

15. März 2022: Eine stellvertretende Stimme aus der KFIBS-Forschungsgruppe „Friedens- und Konfliktforschung“, die zum aktuellen Geschehen in der Ukraine aus Sicht der Friedens- und Konfliktforschung Stellung nimmt.

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„In den letzten Jahrzehnten hat sich die Friedens- und Konfliktforschung mehr mit den Ursachen und Resolutionsmöglichkeiten innerstaatlicher Konflikte beschäftigt als mit zwischenstaatlichen Kriegen. Doch der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 wird in dieser Hinsicht eine ‚Zeitenwende‘ einläuten. Die Eskalation des Aufeinandertreffens der diametralen Weltsichten Russlands und des Westens stellt die internationale Gemeinschaft vor eine große Herausforderung: den Aufbau einer neuen europäischen und globalen Friedensordnung.“

Kimberly Schmidt B.Sc., Master-Studentin, (frühere) Sprecherin, (einstiges) Mitglied und (ehemalige) Autorin der o. g. KFIBS-Forschungsgruppe

Mitglieder der KFIBS-Forschungsgruppe sind:

Milena Düstersiek, B.A., Master-Studentin

Christina A. M. Klingler B.A., M.A. (FG-Sprecherin)

Sushobhan Parida, B.E., M.P.P., Doktorand

Jonas Remmers, BA, MSc

Michel Seibriger, BA, MA

Jona F. Thiel B.A., Master-Student